Autsch, dieser Radunfall war mehr als nur eine Abschürfung.
Diesmal reicht kein Pflaster.
Wer Rad fährt kommt früher oder später in eine Situation, die durch Können oder Glück oder eine Kombination aus beiden den Crash verhindert. Glücklicherweise kommt nur es in sehr wenigen Fällen zu einer Konstellation, die selbst der beste Radfahrer nicht mehr kontrollieren kann. Manchmal ist es das Auto, das den Radfahrer übersieht. Cycling Claude sowas 2019 passiert. Manchmal ist es aber der Sekundenbruchteil Unachtsamkeit, wie die die Mauer, die Chris Froome die Karriere gekostet hat. Und im Januar hat es Egan Bernal erwischt, als er in einen stehenden Bus gefahren ist.
Weit weniger ambitionierte Radsportler sind aber vor einem Radunfall nicht gefeit. Rückblick: Sonniger Tag, die Jungs vom RSCV sind unterwegs. Auf Absprachen wird beim Club-Training sowieso Verzichtet. Die Jungs haben schon lange eingesehen, dass diese Pseudoplanung in jeder Radgruppe nur die ersten 2 Kilometer hält.
Nach gut 50 Minuten und 30 Kilometern verabschiedet sich Andi von der Gruppe. Er arbeitet gerade an einem Projekt und bis zum Design-Freeze-Termin hat er noch einiges auf dem Zettel. Eine halbe Stunde war dieses Vorhaben dann von einer Sekunde auf die andere völlig nebensächlich.
Es ist nicht nur der Helm, der den Radfahrer bei einem Radunfall schützt
Das letzte Foto zeigt 37 km/h, läuft gut bei Andi und er wird pünktlich zuhause sein. Falsch abgebogen und eine sehr unangenehme Strecke mit großen Pflastersteinen folgt, dann links wieder auf die top asphaltierte und verkehrsarme Straße. Was auch immer jetzt passiert ist, Andi merkt einen harten Schlag auf den Kopf.
Seine erste Reaktion ist, die Beine zu bewegen. Funktioniert einwandfrei. Worstcase ist gebannt, zumindest ist es das, was Andi in diesem Moment beruhigt. Er erinnert sich ein einen Bericht über Dehnen und Strecken für Radfahrer. Das soll bei Stürzen eine gute Prävention vor Verletzungen sein, also natürlich im Rahmen des möglichen. Abi Carver von den Wahoo Systm-Workouts sei dan.
Dann greift er sich an die linke Schulter. Daß das Schlüsselbein fühlbar absteht zerstört die Hoffnung, dass der erste Gedanke beim Aufprall falsch war.
Später sagt er: „Matthias, ich weiß nicht warum ich gestützt bin, aber mir schoss in dem Moment durch den Kopf, dass es nicht nur eine Hautabschürfung wird“
Dann wandern die Augen aufs Rad. Im Gegensatz zu Andi sieht das, zumindest was er sieht, nicht gebrochen aus. Auch die Speichen sind alle ok. Griff in die Trikottasche enthüllt, dass sein Handy auch einen Satz gemacht hat. Gefühlt 800 Meter liegt es mitten auf der Straße. Den real einen Meter robbt Andi und ruft die 112.
„Radunfall, Klavikularfraktur links, benötige RTW, GCS 14, keine anderen Beteiligten“
Nach der Anforderung eines RTW und kurzer Beschreibung der Verletzung folgt die Frage: „Wissen Sie, wo Sie sich befinden?“, „Nein“, „Ok, ich tracke Sie“. Andi ist erstaunt, was alles geht. Top. Auf die Frage, ob er weiß, wie der Verunfallte heißt, sagt er mir einem kleinen Lächeln „Ja, ich bin es selbst“. Dann kommt ein Paar auf Citybikes, ein Auto hält an, ein Rennradfahrer auch.
Das erste Paar bleibt bei ihm, bis der RTW eintrifft und bietet an, sein Rennrad mitzunehmen. Andi gibt dem netten Herren sein Handy und bittet ihm, seine Nummer einzutippen. Der RTW kommt. Das Aufstehen ist eine Tortur, die Sanitäter wissen nicht so richtig, wo sie Andi anpacken sollen. Ihm tut alles weh.
Im Rettungswagen ruft Andi mich an. Sagt, dass er einen neuen Helm braucht und neues Lenkerband. Dann schickt er einen WhatsApp an seine Kumpels Peter und Stephan, damit sie sein Rennrad abholen. Alles erledigt, entspannen, die Liege im Rettungswagen federt jede Unebenheit in der Straße perfekt weg, schnell einschlafen bevor der Schock sich verflüchtigt und die Schmerzen ins Bewusstsein kommen. Augen zu.

Der Autor: Matthias fährt Rad seit der laufen kann, oder sogar schon davor. Weil er keinen Radladen gefunden hat, der ihn gut beraten hat, machte er sich 2006 seinen eigenen auf. Heute ist Wiegetritt weit über Bremen hinaus bekannt. Mehr über Matthias …